Das neue Arbeitszeitgesetz 2020 – Das ist wichtig für Unternehmen
Laut dem Europäischen Gerichtshof müssen Unternehmen die tägliche Arbeitszeit ihrer Mitarbeitenden erfassen. Wie es zu dem Urteil kam, wann es in Kraft tritt und was sich für Unternehmen ändert, erfährst du hier.
Das neue Arbeitszeitgesetz
Im Mai 2019 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Arbeitgeber:innen zukünftig dazu verpflichtet sind, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, das die Arbeitszeit ihrer Mitarbeitenden erfasst. So soll sichergestellt werden,
- dass die vorgeschriebenen Höchstarbeitszeiten und Ruhepausen eingehalten werden.
- dass die Zahl der Überstunden sowie die zeitliche Verteilung der Arbeitszeit ermittelt werden kann.
- dass Beschäftigte ihre Ansprüche im Zweifelsfall durchsetzen können.
<div class="blog_primary-box"><p>Grundsätzlich gilt: Angestellte Personen dürfen pro Woche <strong>maximal 48 Stunden</strong> arbeiten und müssen <strong>täglich elf Stunden Ruhezeit</strong> am Stück haben. Hier findest du <a href="https://hire.workwise.io/hr-praxis/arbeitsrecht/arbeitszeit" target="_blank">alle Regelungen rund um die Arbeitszeit</a>.</p></div>
Die Einhaltung von Höchstarbeitszeit und Ruhezeiten ist ein Grundrecht in der EU. In dem Urteil des EuGH wurde entschieden, dass die bisherigen nationalen Regelungen zum Teil nicht ausreichen, um die Rechte der Beschäftigten zu schützen und entsprechende Gesetze angepasst oder neue eingeführt werden müssen.
Der EuGH hat keine konkreten Vorgaben dazu gemacht, wie die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten dies umsetzen sollen – dementsprechend können die einzelnen Länder die Umsetzung relativ frei gestalten. Diese Flexibilität ist sinnvoll, denn so können Besonderheiten – beispielsweise unterschiedliche Tätigkeitsbereiche, Branchen oder die Größe eines Unternehmens – berücksichtigt werden.
Wie ist es dazu gekommen?
In Spanien hat die Gewerkschaft Federación de Servicios de Comisiones Obreras (CCOO) gegen eine Niederlassung der Deutschen Bank geklagt. Hintergrund ist: In der Niederlassung gilt Vertrauensarbeitszeit, die tägliche Arbeitszeit wird nicht erfasst.
Die Gewerkschaft argumentiert, dass gemäß dem Unionsrecht die Dokumentation der täglichen Arbeitszeit Voraussetzung ist, um gewährleisten zu können, dass Vorgaben zur Höchstarbeitszeit und Ruhezeiten eingehalten werden. Das Grundrecht dazu findet sich in Artikel 31 der Charta der Europäischen Union sowie in konkreter Form in der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG.
Die Niederlassung der Deutschen Bank beruft sich auf das spanische Arbeitszeitgesetz. Demzufolge müssen lediglich Überstunden jeweils zum Monatsende den Arbeitnehmenden und ihren Vertreter:innen mitgeteilt werden. Ähnlich sieht es in Deutschland aus (klick hier, um direkt zu dem Abschnitt zu springen).
Das verantwortliche Gericht hat festgestellt, dass die Auslegung des spanischen Gesetzes dem Unionsrecht widerspricht und den Fall dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Der EuGH hat am 14.5.2019 in dem Fall (C-55/18) entschieden und gab der spanischen Gewerkschaft Recht: Um die Vorgaben durch das Unionsrecht umzusetzen, ist die Dokumentation der täglichen Arbeitszeit erforderlich – deswegen sollen nun alle Unternehmen in der EU verpflichtet werden, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten.
Wann tritt das neue Gesetz in Kraft?
Die Entscheidung hat erstmal noch keine Auswirkungen – du musst also nicht sofort ein Zeiterfassungssystem einführen. Das Urteil fordert nämlich zunächst die EU-Mitgliedsstaaten auf, zeitnah entsprechende Gesetze zu ändern oder neue einzuführen und so die Arbeitgeber:innen zu verpflichten, die tägliche Arbeitszeit zu erfassen. Der nächste Schritt ist also, dass in Deutschland die betroffenen Gesetze angepasst werden.
Bis wann das passieren muss, wurde nicht konkretisiert.
Es lohnt sich aber, wenn du dich bereits jetzt damit auseinandersetzt – denn die Änderung wird kommen. Und: Es steht zwar nicht exakt so im Arbeitszeitgesetz, aber je nach Auslegung ist schon lange notwendig, die tägliche Arbeitszeit von Beginn bis zum Ende zu erfassen. Mehr dazu im nächsten Abschnitt.
Aktuelle rechtliche Regelung in Deutschland
Unternehmen sind gemäß dem Arbeitszeitgesetz dazu verpflichtet, die Arbeitszeit zu erfassen und zu dokumentieren, die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgeht. Das betrifft Überstunden und Mehrarbeit nach den täglichen acht Stunden Arbeit sowie Arbeit an Sonn- und Feiertagen. Dieser Nachweis muss zwei Jahre aufbewahrt werden (§ 16 ArbZG Abs. 2 S. 1).
<div class="blog_primary-box"><p><strong>Achtung:</strong> Im September 2022 urteilte das Bundesarbeitsgericht, dass das deutsche Arbeitsschutzgesetz auf Grundlage der EuGH-Entscheidung zu interpretieren ist.</p><p>Das bedeutet, dass die <strong>komplette Arbeitszeit</strong> – nicht nur die Überstunden sowie die Sonntagsarbeit – schon jetzt <strong>systematisch erfasst</strong> werden muss.</p><p>Bisher ist die Pflicht zur grundsätzlichen Arbeitszeiterfassung noch nicht explizit im Arbeitszeitgesetz verankert. Daher rechnen Arbeitsrechtler:innen nun damit, dass die Regierung das <a href="https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/arbeitszeit-erfassung-pflicht-urteil-stechuhr-100.html" target="_blank">Gesetzgebungsverfahren beschleunigt</a>, um möglichst bald konkrete Vorgaben für die Arbeitszeiterfassung zu liefern.</p></div>
Unternehmen, die dieser Pflicht nicht nachkommen, begehen eine Ordnungswidrigkeit und müssen mit einem Bußgeld rechnen (§ 22 ArbZG Abs. 1 Nr. 9). Herrscht Vertrauensarbeitszeit und geben Beschäftigte ihre täglichen Arbeitszeiten selbst an, musst du als Unternehmen sicherstellen, dass die Angaben korrekt sind.
Änderungen durch das Gesetz und mögliche Umsetzung
Wie die ideale Umsetzung aussieht, lässt sich erst zuverlässig sagen, wenn die Änderungen in der deutschen Rechtssprechung vorgenommen wurden. Denkbar wären beispielsweise elektronische Chipkarten, Excel-Tabellen, spezielle Software oder bei sehr kleinen Betrieben klassisch mit Stift und Papier. Neben den gesetzlichen Vorgaben spielt dabei vor allem auch die Unternehmensgröße eine Rolle.
Tatsache ist, dass sich viele Unternehmen erstmalig mit Zeiterfassungssystemen auseinandersetzen werden. Das bedeutet einen höheren bürokratischen Aufwand – der aber ein überschaubares Maß behält und auf viele Schultern verteilt werden kann: Beispielsweise indem Beschäftigte ihre Arbeitszeiten selbst protokollieren – über ein Excel-Dokument, eine Software oder App.
Gerade für Unternehmen, die bislang auf Vertrauensarbeitszeit setzen, kommt hinzu, dass durch die Erfassung der Vertrauens-Charakter tendenziell leiden wird. Aber Dokumentation heißt nicht Kontrolle. Die Gesetzesänderungen müssen nicht zwangsläufig der flexiblen Arbeitszeitgestaltung schaden.
Homeoffice, mobiles Arbeiten und Vertrauensarbeitszeit werden wahrscheinlich nach wie vor möglich sein – es muss nur ein praktikables System zur Zeiterfassung eingerichtet werden.
Als Unternehmen solltest du hierfür die nötige Infrastruktur zur Verfügung stellen: Stundenzettel verteilen, Zugänge zur Zeiterfassungssoftware einrichten oder für alle Teammitglieder eine entsprechende Datei anlegen. Zusätzlich solltest du auf die korrekte Zeiterfassung hinweisen und am besten regelmäßig daran erinnern. Der letzte Schritt sind stichprobenartige Kontrollen, ob das System auch richtig verwendet wird.
Damit willst du sicherstellen, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten eingehalten werden – nicht um zu kontrollieren, dass die Mitarbeitenden auch wirklich arbeiten.
Arbeitszeit berechnen mit Excel
Excel stellt eine gute Möglichkeit dar, die tägliche, wöchentliche und monatliche Arbeitszeit zu erfassen. Wie diese Umsetzung aussehen kann, zeigen wir dir in unserem Artikel Arbeitszeiterfassung mit Excel [inklusive Vorlage als Download].
<a class="blog_button-primary" href="https://hire.workwise.io/hr-praxis/organisationsentwicklung/arbeitszeiterfassung-excel">Arbeitszeit mit Excel erfassen</a>